HD – High Density

11.09. – 17.10.1999
Neue Gesellschaft für Bildende Kunst

Ein Ausstellungsprojekt über die Verdichtung von Räumen
Klangräume: Justin Bennett, Oval, sha

Das Ausstellungs- und Katalogprojekt über die Verdichtung von Räumen wird veranstaltet von der NGBK in Berlin Kreuzberg in Zusammenarbeit mit Freunde Guter Musik Berlin e.V. und dem Büro 213. Es ist ein interdisziplinär forschendes Projekt mit begehbaren, labyrinthischen Chip- und Stadtplanstrukturen, Klangräumen, Video- und Computerinstallationen von und mit Musikern, Künstlern, Architekten und Theoretikern.

Seit der Begriff High Density in den 20er Jahren von der Stadtplanung und Stadtentwicklung eingeführt wurde, wird er höchst kontrovers diskutiert. Bauliche Dichte, räumlich visuelle Dichte und soziale Dichte bilden die Kriterien, die seither je nach Region und Kontinent unterschiedlich bewertet werden. Der Rechner, zentrales und alle anderen Medien verschlingendes Medium des aktuell stattfindenden Fin de siècle, hat den Begriff High Density unter dem Logo HD neu ausgegeben: High Density bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Prozessierung und die Speicherung von Daten. Immer leistungsfähigere Chips mit extremer Schaltungsdichte und hohen Rechenleistungen ermöglichen die Konstitution neuer Raumbegriffe, die in Ausstellung und Katalog untersucht und dargestellt werden.
In Europa und den USA wird Stadt zunehmend von intelligenten Überwachungssystemen an Außengrenzen, Bürogebäuden, Straßen und Plätzen geprägt. Sie stellen für den Menschen einen nicht sichtbaren, aber durch Zugangsverbote spürbaren rechnenden Raum dar. Forschung und Entwicklung setzt alles daran, Technologien, die rechnende Räume konstituieren, für das menschliche Auge verschwinden zu lassen. In einem nur scheinbar paradoxen Reflex sind Interesse und Faszination gerade für diese Räume mit ihrer Dimension des Unsichtbaren besonders stark.
Im Zentrum von HD – High Density steht die Analogie zwischen Stadtplan und Mikrochip als Strukturprinzip. Auf den ersten Blick deutlich in visuellen Überschneidungen, setzt sich dies Prinzip fort in formalen und funktionalen Analogien, in technikgeschichtlichen Beziehungen zwischen der Geschichte der Stadt und der Geschichte des Computers, bei denen der Begriff High Density ein Rolle spielt. Diese Aspekte werden vor dem Hintergrund von gebauten und gerechneten Umgebungen visuell und klanglich von Musikern, Künstlern und Architekten sowie von Theoretikern untersucht und dargestellt.
High Density impliziert – ähnlich wie Speed – eine neue Form des Zustandes, des Lebensgefühls, aber auch des Raumes. Es ist in diesem Sinne auch als weiterführende Metapher für das interdisziplinär forschende Ausstellungs- und Katalogprojekt zu verstehen.

Die Ausstellungsarchitektur, die vom Büro 213 konzipiert wird, arbeitet mit übereinandergelagerten Strukturen eines Mikrochips und einer italienischen Idealstadt aus der Renaissance, die durch einen 3D-Modellierer zu Räumen gerechnet werden. Diese Räume sind im klassischen Sinne nicht entworfen, sondern mit den Prinzipien einer Architektur des rechnenden Raumes – Mapping, Morphing und Scaling – als labyrinthartige Struktur entstanden.

Ein zentraler Teil der Ausstellung besteht aus drei Klangräumen, die von Freunde Guter Musik Berlin e.V. konzipiert worden sind. Die Musiker und Klangkünstler Justin Bennett aus Den Haag, Oval aus Berlin und sha.™ aus Wien machen unter Verwendung avancierter Technologien abstrakte Formen des Raumes für den Besucher sinnlich erfahrbar. Sie beschäftigen sich jeweils in spezifischer Weise mit elektronisch generierten Klängen, die als digitale Klangdaten im realen Raum räumlich wahrnehmbar sind. Justin Bennett bezieht sich in seiner Klanginstallation „Accumulator (HD)“ auf konkrete Klänge, aufgenommen in verschiedenen städtischen Räumen. Oval (Markus Popp) wirft in seinem Projekt „Szenarioengine“ gezielt Fragen nach den Voraussetzungen und Strukturen von elektronischer Musikproduktion sowie nach deren Autorenschaft auf. sha.™ arbeitet in seinem KlangRaumGenerator „summer 99“ mit Klängen aus dem realen Raum der NGBK, die als digitale Daten ins Internet eingespeist, dort von einem Server gespiegelt und mit der netzspezifischen Veränderung wieder eingeholt werden.

Für den forschenden Besucher werden Archive zu den unterschiedlichen Raumbegriffen eingerichtet, die weiterführendes und vertiefendes Material in Form von Print- und Digitalmedien für die Vorortrecherche zur Verfügung stellen. In diesem Zusammenhang wird der Künstler Andor Carius aus New York, dessen Name sich aus der logischen Operation And/Or ableitet, sein seit 30 Jahren zusammengetragenes Archiv zur technologischen Verdichtung präsentieren.

Der Katalog wird mit seinen weiterführenden Texten zu den drei Raumkonzeptionen – realer Raum, rechnender Raum und gerechneter Raum – die vertiefenden Zusammenhänge aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen herstellen und jeweils auch die Effekte der benachbarten Raumbegriffe berühren.

Zugriff auf den KlangRaumGenerator „summer 99“ von sha.™ unter http://www.HDensity.de/summer. Dieses Projekt wird in Zusammenarbeit mit netz_bedingung / net_condition – ZKM Karlsruhe realisiert.

Team:
Konzeption:
Ingrid Buschmann, Tom Lamberty, Markus Schell, Dieter Scheyhing, Ute Ziegler
Organisation und Koordination: Freunde Guter Musik Berlin e.V. und Büro 213
Katalogredaktion: Ingrid Buschmann, Ute Ziegler

Gefördert durch Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur und Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Englisch

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