Wolfgang Müller / Die Tödliche Doris

27.11.1998 / 21:00 Uhr
Volksbühne im Prater

hörspiel 1994  – O-Ton-Hörspiel mit Hörgeschädigten und Gehörlosen
Die Tödliche Doris 1981/98 – Uraufführung der ersten LP in Zeichen und Gebärden

1980 erschien die erste LP der Gruppe Die Tödliche Doris mit dem Titel „Die Tödliche Doris”, also die „Sogenannte”. Auf ihr auch das Stück „Der Tod ist ein Skandal”. Die dort auftauchenden Baßsequenzen wählte die Band zusammen mit gehörlosen Freunden aus: extrem tiefe, unregelmäßige Schwingungen, die die versuchsweise vor den Boxen ausgelegten Kichererbsen in heftige Bewegung brachten. Tanzstil: eine Art „Trocken-Pogo”. Die Mitglieder von Die Tödliche Doris, Käthe Kruse, Nikolaus Utermöhlen und Wolfgang Müller, waren davon überzeugt, daß ihre Musik für Hörende und Gehörlose gleichermaßen zu verstehen und zu konsumieren ist. Gleiches gilt für die Umsetzung ihrer musikalischen und künstlerischen Konzepte. So spielte der gehörlose Rolf Puttrich-Reignard Schlagzeugpassagen für „Die Tödliche Doris”-LP „Unser Debüt” (1986), sein gehörloser Bruder Gunther trug die Eröffnungsrede zu einer Ausstellung der Gruppe in der Kunsthalle Bremerhaven in Gebärdensprache vor und verteilte anschließend den schriftlichen Text der Ansprache an die Hörenden.

1994 realisierte Wolfgang Müller mit Holger Hiller für den Bayerischen Rundfunk das Hörspiel „hörspiel”. Gehörlose und Schwerhörige sprechen über die Kultur der Gebärdensprache, über ihr Interesse an Musik und über Alltägliches. „Die meisten Stimmen klingen ungewohnt brüchig, ihr Rhythmus, die Betonung der Silben sind anders als im alltäglichen Redeschwall. Gunther Puttrich-Reignard rutschen die Laute manchmal in ein helles Falsett. Daraus ergibt sich eine eigene Melodie aus knarrenden Vokalen und zitternder Begleitluft, die Worte formen sich in einem unruhig flatternden Auf und Ab der Atmung wie Hip-Hop-Reime.” (Harald Fricke über „hörspiel” in die tageszeitung vom 23.9.94)

Das Konzept von Wolfgang Müller, welches im Rahmen der Reihe „Gehörlose Musik” realisiert werden soll, besteht in einer „Doris-Dosis-Metamorphose”: Die schon lange vergriffene erste LP von Die Tödliche Doris von 1980 soll wiederaufgelegt werden, als Video: die Stücke der LP werden in Gebärdensprache verwandelt. Die Gebärdendolmetscherinnen Dina Tappert (Berlin) und Andrea Schulz (Hamburg) werden die eingespielten Titel in Musik- und  Wortgebärde verwandeln. Das Publikum hat die Möglichkeit, dem Prozeß dieser Verwandlung beizuwohnen. Auf der später erscheinenden Videokassette wird nur die Musikgebärde, jedoch nicht der Ausgangspunkt der Gebärden, also Musik, erhalten sein. (Wolfgang Müller)

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Englisch

Comments are closed.