Susan Philipsz

01.02. – 04.05.2014
Eröffnung: 31.01.2014, 20 Uhr
Hamburger Bahnhof
Museum für Gegenwart – Berlin
/ Historische Halle
Staatliche Museen zu Berlin
Invalidenstr. 50-51, 10557 Berlin
Di, Mi, Fr 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr, Sa-So 11-18 Uhr

Part File Score

24-Kanal Sound Installation
Zwölf Arten Hanns Eisler zu beschreiben

Foto: Nick Ash

Die Klangarbeiten der in Berlin lebenden schottischen Künstlerin Susan Philipsz entstehen oft für einen bestimmten Ort, auf dessen Geschichte und Räumlichkeit sie sich bezieht. Für die Historische Halle des Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin hat sie eine Sound Installation entworfen, die Bezug nimmt zum einen auf die ehemalige Funktion des Gebäudes als Bahnhof und zum anderen auf die architektonische Struktur der Halle mit ihren 12 Stahlbögen. Als Ort von Abfahrt und Ankunft, von Trennung und Wiederkehr bringt die Künstlerin den ehemaligen Bahnhof in Verbindung mit dem bewegten Leben des in den 1920er und 1950er Jahren in Berlin beheimateten Komponisten Hanns Eisler (1898–1962). Eisler, der wie sein Lehrer Arnold Schönberg in den 1930er Jahren nach Amerika emigrierte und der 1948 die USA aufgrund seiner prokommunistischen politischen Überzeugungen wieder verlassen musste, setzte sich zwar mit der Zwölftontechnik seines Lehrers auseinander, wandte sich aber infolge seiner sozial engagierten Kunstauffassung auch ‚populären’ Genres wie der Bühnen- und Filmmusik zu. Er komponierte zahlreiche Lieder, darunter immer wieder Lieder für Arbeiterchöre und für Kundgebungen der internationalen Arbeiterbewegung. 1949 komponierte der im Ostteil Berlins lebende Eisler die Nationalhymne der DDR.

Für die Sound Installation Part File Score hat Susan Philipsz drei Stücke erarbeitet, die jeweils auf einem filmmusikalischen Werk Eislers basieren und die nacheinander im Raum erklingen. Das Werk Präludium in Form einer Passacaglia (1926) entstand für Lichtspiel: Opus III (1924), einen der ersten abstrakten Filme von Walter Ruttmann; es handelt sich dabei um die erste Komposition für Film von Hanns Eisler. Vom melancholischen Tenor dieser Filmmusik ist auch das Stück Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben (1941) geprägt, das für den Film Regen (1929) von Joris Ivens geschrieben wurde. Dieses Werk entstand als Auftragsarbeit in Zusammenhang mit der Publikation Komposition für den Film (1947), die Eisler gemeinsam mit Theodor W. Adorno veröffentlichte. Im selben Jahr schrieb Eisler Septett Nr.2 (1947) für den Film The Circus (1928) von Charlie Chaplin. Die Arbeit an dieser Komposition wurde unterbrochen durch Eislers Ausweisung aus den USA, und die Musik fand niemals für den Film Verwendung.

Einem künstlerischen Prinzip folgend, das Philipsz bereits für ihre 2012 auf der dOCUMENTA (13) in Kassel präsentierte Arbeit Study for Strings sowie für die jüngst in Düsseldorf realisierte Klanginstallation The Missing String anwandte, hat die Künstlerin die Töne der von ihr bearbeiteten Kompositionen Eislers im Studio einzeln aufgenommen. Die von einer Violine, einem Cello, einer Trompete und einem Klavier eingespielten Klänge werden wiederum separiert über 12 auf der rechten und 12 auf der linken Seite entlang der Historischen Halle installierte Lautsprecher wiedergegeben. Dabei ist jedem Lautsprecher ein Ton der chromatischen Skala zugeordnet, so dass jede von einem Instrument gespielte Stimme verräumlicht wird und durch die gesamte Halle wandert.

Mit dieser akustischen Arbeit und 12 großformatigen Grafiken, in denen Partiturseiten Eislers mit Seiten aus den ihn betreffenden Akten des FBI überlagert werden, sucht Philipsz eine Annäherung an Eislers Ästhetik der displaced form, um Themen wie die Lebensreise und die Erfahrung von Trennung, Überwachung und Vertreibung aufzurufen. Auf die aus vier Teilen bestehende FBI-Akte zu Eisler bezieht sich auch der Titel der Sound Installation.

Susan Philipsz (*1965 in Glasgow), die 2010 den renommierten Turner Prize gewann, arbeitet in ihrer Auseinandersetzung mit musikalischen und literarischen Vorlagen sowie mit spezifischen historischen Konstellationen überwiegend mit dem Medium Klang. Sie greift häufig bekannte Lieder und Popsongs auf, die sie mit ihrer eigenen Stimme vorträgt und aufnimmt, um damit im Ausstellungsraum oder im städtischen Raum ein auf den jeweiligen Ort bezogenes akustisches Environment zu schaffen. In jüngerer Zeit wählt sie verstärkt instrumentale Kompositionen und akustisches Material wie Field Recordings oder Radiosignale, um dieses Material zu bearbeiten und räumlich zu inszenieren.

Die Ausstellung von Susan Philipsz findet statt im Rahmen der Veranstaltungsreihe Musikwerke Bildender Künstler, die seit 1999 von Freunde Guter Musik Berlin in Zusammenarbeit mit der Nationalgalerie und seit 2002 mit dem Festival MaerzMusik der Berliner Festspiele durchgeführt wird. Es ist die erste institutionelle Einzelausstellung der seit 2001 in Berlin lebenden Künstlerin in der Stadt.

Kuratorinnen:
Ingrid Buschmann / Freunde Guter Musik Berlin e.V.
Gabriele Knapstein / Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin

Eine Veranstaltung von Freunde Guter Musik Berlin e.V. und Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, in Zusammenarbeit mit Berliner Festspiele / MaerzMusik 2014. Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds und die Schering Stiftung.

Weitere Informationen:
www.musikwerke-bildender-kuenstler.de
www.smb.museum/hbf

Video:
Susan Philipsz, Part File Score auf YouTube

Gefördert durch:
www.hauptstadtkulturfonds.berlin.de
www.scheringstiftung.de

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Englisch

Comments are closed.